Im Unterschied zu populären und populärwissenschaftlichen Texten muss das wissenschaftliche Arbeiten qualitativen Kriterien und Standards genügen. Diese sind fächerübergreifend verbindlich und gelten generell an allen wissenschaftlichen Einrichtungen (Hochschulen, Fachhochschulen, Universitäten).
Mit den Kriterien für wissenschaftliches Arbeiten wird definiert, durch welche Merkmale sich akademische Textformen und Arbeiten von anderen (nichtwissenschaftlichen) Textsorten und Darstellungsformen unterscheiden. Die Beachtung und Einhaltung dieser Kriterien ist die Bedingung für das erfolgreiche Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten, unabhängig davon, ob es sich um ein Referat, eine Hausarbeit oder eine Doktorarbeit handelt.
Die fünf Qualitätskriterien für wissenschaftliche Arbeiten beinhalten:
1) Die geistige Eigenleistung der Arbeit
Das selbstständige Erarbeiten von Fragestellungen am gegebenen Untersuchungsmaterial ist ein wissenschaftliches Grundkriterium und bezieht sich auf den gesamten Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung. Hierzu gehört das systematische Auswerten von Quellen und Materialien (Fachliteratur oder empirische Daten) unter einer plausibel formulierten Fragestellung. Ebenso zählen die Anwendung fachspezifischer Methoden sowie die Einbeziehung der einschlägigen Forschungsliteratur dazu.
Hinweis: Die innovative geistige Eigenleistung (Originalität) ist nicht für jede Arbeitenart das maßgebliche Qualitätskriterium. Hausarbeiten oder Seminararbeiten können bzw. sollen üblicherweise keine neuen Erkenntnisse generieren, sondern dienen dem Strukturieren und Systematisieren bekannter Ergebnisse gemäß der ausgewählten Themenstellung. Anders steht es mit Masterarbeiten oder Diplomarbeiten, insbesondere aber mit Dissertationen. Hier ist der innovative Forschungsbeitrag durch eine originäre wissenschaftliche Eigenleistung explizites Qualitätskriterium der Bewertung.
2) Die Nachprüfbarkeit aller Aussagen durch für jedermann zugängliche Belege
Alle vorgetragenen Aussagen und Argumente sind durch wissenschaftliche Sachargumente (Untersuchungsmaterialien, Forschungspositionen, Theorien) zu stützen und die eigene Position auf dieser Basis herzuleiten und zu begründen. Subjektive Wertungen oder unkritische Übernahmen tendenziöser Standpunkte sind ausnahmslos zu vermeiden.
3) Das sachliche Argumentieren in klaren und eindeutig nachvollziehbaren Schritten
Wissenschaftliches Argumentieren bedeutet, auf der Basis einer fachspezifischen Methodik und Systematik zu folgerichtigen Ergebnissen oder Erkenntnissen zu gelangen. Die Darlegung der einzelnen Untersuchungsschritte muss kohärent, das heißt ohne argumentative ‚Lücken’, und ausschließlich mit begründeten Aussagen erfolgen. Der Textaufbau hat entsprechend schrittweise strukturiert, inhaltlich geschlossen und vollständig zu sein.
4) Die eindeutige Ausdrucksweise unter Berücksichtigung einschlägiger Fachterminologie
Wissenschaftliche Arbeiten sind zwar in erster Linie auf den Betreuer abgestellt, müssen jedoch in verständlicher Sprache und gedanklicher Klarheit die wissenschaftliche Fachlichkeit widerspiegeln, um auch für unabhängige Gutachter nachvollziehbar zu sein. Hierzu gehören die Verwendung der korrekten, fachlich einschlägigen Terminologie sowie die Definition aller Begriffe, die für den Argumentationsgang und die Ergebnisdiskussion der Arbeit maßgeblich sind.
5) Das Einhalten der wissenschaftlichen Form
Zur korrekten wissenschaftlichen Form gehört die Einhaltung der fachspezifischen Formalia, zu denen die Formatierungsvorgaben und Zitierregeln zählen (i.d.R. am Lehrstuhl oder beim Prüfungsamt erhältlich). Ebenso sind fächerübergreifend eine fehlerfreie Rechtschreibung, Grammatik und Interpunktion relevante wissenschaftliche Gütekriterien einer jeden wissenschaftlichen Arbeit.
Die Abgabe einer inhaltlich exzellenten wissenschaftlichen Arbeit ohne die Berücksichtigung der akademischen Formvorschriften führt nicht nur zu einer negativen gutachterlichen Bewertung, sondern kann auch zur Rückgabe bzw. Annahmeverweigerung des Lehrstuhls führen.
! Expertentipp: Erfragen Sie neben den üblichen Anforderungen an die wissenschaftliche Form Ihrer Hausarbeit direkt beim Dozenten oder Hauptgutachter, ob über die Formvorschriften hinaus spezifische Ansprüche erfüllt werden sollen. Das gilt generell auch mit Blick auf die inhaltlichen Anforderungen.
Die Standards für wissenschaftliche Arbeiten
So wie die Kriterien sind auch die Standards für wissenschaftliches Arbeiten fächerübergreifend gültig. Sie stellen die vereinheitlichten Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens dar und gelten für jede Bearbeitungsstufe im wissenschaftlichen Recherche- und Schreibprozess. Ihre Einhaltung stellt sicher, dass die Arbeit eine gute Ausgangsposition für den Begutachtungsprozess hat und auch für die Einreichung an einer ausländischen bzw. internationalen Hochschule in Frage kommt: Standards und Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens gelten international.
Folgende Standards sind unverzichtbar für jede wissenschaftliche Arbeit und unabhängig vom Hochschultyp oder Studienfach an allen Hochschulen in Europa und den USA gültig:
Jede schriftliche wissenschaftliche Arbeit muss
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objektiv sein. Das heißt, alle Schritte und Ergebnisse müssen für unbeteiligte Dritte nachvollziehbar und einsehbar sein (Überprüfbarkeit)
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präzise sein. Das heißt, alle Schritte, Ergebnisse und verwendete Termini müssen eindeutig, verständlich und klar definiert sein
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vollständig sein. Das heißt, alle zur Untersuchungsthematik gehörenden Materialien und Forschungen müssen möglichst lückenlos dargelegt werden
- ehrlich und redlich sein. Das heißt, alle verwendeten Quellen müssen durch das korrekte Zitieren mit dem entsprechenden Literaturverweis belegt werden
So erfüllt Ihre Arbeit die wissenschaftlichen Qualitätskriterien:
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Sie wenden die Methoden und Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens konsequent an
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Sie berücksichtigen die Kriterien wissenschaftlicher Objektivität in allen Untersuchungsschritten und bei der Präsentation
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Sie halten die Formvorschriften für das wissenschaftliche Arbeiten konsequent ein
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Sie folgen dem Prinzip der Redlichkeit bzw. der guten wissenschaftlichen Praxis ohne Einschränkung
Im nächsten Kapitel stehen Grundtechniken des wissenschaftlichen Arbeitens im Vordergrund – und damit bereits erste Anwendungen für die wissenschaftlichen Kriterien und Standards. Zugleich werden in diesem und den nächsten Abschnitten Arbeitstechniken vorgestellt, die das Arbeiten effizienter gestalten. Überspringen Sie diese Abschnitte also nur, wenn Sie sich sicher sind, dass Sie bereits effiziente Konzept- und Schreibtechniken entwickelt haben und diese nicht weiter optimieren müssen.