Wissenschaftliches Arbeiten in der Form des wissenschaftlichen Schreibens ist ein stark normierter Prozess. Er umfasst generell sowohl das Produkt des wissenschaftlichen Bearbeitungsprozesses (den geschriebenen wissenschaftlichen Text selbst) wie die mit diesem unerlässlich verbundenen Voraussetzungen (wissenschaftliches Lesen und Strukturieren). Der gesamte Prozess beinhaltet, ein Thema bzw. eine Problemstellung selbstständig, nach wissenschaftlichen Standards und Prinzipien sowie unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden und Techniken zu bearbeiten. Das angestrebte Resultat ist ein für Dritte nachvollziehbarer Beitrag zum Verständnis eines thematisch eingegrenzten Gegenstands.
Für den Prozess des wissenschaftlichen Schreibens bedeutet das, den Gegenstandsbezug fortwährend zu objektivieren, das heißt, den Text auf sämtlichen Prozessebenen (Lesen, Strukturieren, Schreiben) mit den Augen eines fremden Lesers zu betrachten. Jeder Leser sollte unabhängig vom fachlichen Spezialisierungsgrad des Autors in die Lage versetzt werden, einen nicht subjektiv überformten bzw. verfälscht wiedergegebenen Blick auf den behandelten Gegenstand zu erhalten!
Im Unterschied zu populärwissenschaftlichen oder fiktionalen Textsorten ergeben sich aus der Verpflichtung zur Objektivität des wissenschaftlichen Schreibens klar definierte Vorgaben für den Schreibprozess. Drei Dimensionen sind hierbei miteinander zu verknüpfen:
Die Dimension des wissenschaftlichen Themas bzw. Gegenstandes (Gegenstandsdimension)
Die Dimension der wissenschaftlichen Fachdiskussion (Diskursdimension)
Die Dimension der fachwissenschaftlichen Argumentation (Argumentdimension)
Aufgabe des wissenschaftlichen Schreibprozesses ist es, die drei genannten Dimensionen im eigenen schriftlichen Text auf selbstständige Weise miteinander in Beziehung zu setzen. Das bedeutet, den subjektiven (persönlichen) Schreibvorgang zu objektivieren, indem dieser
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erstens am Gegenstand selbst durch Beschreibungen, beurteilende Kommentare, Erklärungen und Analysen verständlich gemacht und konkretisiert wird,
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zweitens durch den Dialog mit den Ergebnissen der Forschungsliteratur auf die Themenstellung bezogen und mit dieser in Beziehung gesetzt wird,
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drittens eine eigene kritische Sichtweise zum Gegenstand wie zu den Erkenntnissen anderer argumentativ entfaltet wird.
Machen Sie sich bewusst, dass das Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten ein Lernprozess ist, der sich über mehrere Studienphasen erstrecken kann. Erwarten Sie nicht, schon mit der ersten schriftlichen Belegarbeit einen Achtungserfolg bei Ihrem Prüfer zu erzielen. Der Erwerb der wissenschaftlichen Schreibfähigkeit ist ein Prozess, so wie die angestrebte Professionalisierung des akademischen Schreibens zu den kontinuierlich zu erwerbenden Kompetenzen im Studienverlauf gehört.
! Expertentipp:
Nicht in jedem Themengebiet, jedem Studienfach und jeder akademischen Arbeitenart lässt sich die Dreidimensionalität des wissenschaftlichen Schreibens in gleicher Weise umsetzen. Für die Qualität – und damit Bewertung – akademischer Arbeiten ist fächerübergreifend allerdings ausschlaggebend, dass die Verarbeitung wissenschaftlicher Erkenntnisse eine nachvollziehbare Komplexität aufweist. Merken Sie beispielsweise, dass Ihr Text zu monologisch wird oder zu wenig kritische Stellungnahmen aufweist, überprüfen Sie Ihre Bezugnahmen auf den untersuchten Gegenstand und/oder den Umfang Ihrer Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur. Erkundigen Sie sich bei Ihrem Prüfer bzw. Dozenten, welche Mindestanzahl verwendeter Sekundärliteratur Sie verwenden sollten, um die Bewertungskriterien für Ihre Arbeitenart einzuhalten.