Der Hauptteil einer wissenschaftlichen Arbeit ist ihr inhaltliches Zentrum, sowohl in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht. Etwa 80 Prozent des Gesamtumfangs der Arbeit (ohne Anlagen und Verzeichnisse) werden vom argumentativen Hauptteil eingenommen.
Im Hauptteil wird die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsthema Schritt für Schritt entfaltet, wobei die einzelnen Teile aufeinander bezogen (etwa mit Überleitungen und Anknüpfungen) und miteinander verknüpft werden, sodass ein selbstständiger Textbereich entsteht. Einleitung und Schlussteil bilden ihrerseits wiederum selbstständige Textteile. Es kommt entsprechend darauf an, im Hauptteil eine maximale argumentative Geschlossenheit zu erreichen.
Kapitel sinnvoll und übersichtlich strukturieren
Die Kunst der überzeugenden und übersichtlichen Strukturierung besteht darin, eine hinreichend komplexe, jedoch nicht überladene Kapitelgliederung zu erzeugen. Es geht um den handhabbaren Kompromiss zwischen Übersicht (Verallgemeinerung) und Vertiefung (Konkretion). Dies ist dann gelungen, wenn die Gliederung der gesamten Arbeit nicht zu wenige, jedoch auch nicht zu viele Gliederungspunkte und Gliederungsebenen aufweist.
Zwar wurde seit der Schule immer wieder die dreifache Gliederung von Hausarbeiten in Einleitung – Hauptteil – Schluss empfohlen. In akademischen Arbeiten sollte man sich jedoch davor hüten, sich von diesem Schema einzwängen zu lassen, denn es gibt Ihnen keine Hilfe bei der Strukturierung Ihres Hauptteils. Einleitung und Fazit bleiben als klammernde Abschnitte jeder Arbeit sinnvoll. Für den Hauptteil sollte dann mindestens eine zwei-, besser eine dreifache thematische Binnengliederung erstellt werden, damit ein Thema hinreichend komplex dargestellt werden kann.
Zur sinnvollen und übersichtlichen Strukturierung der Arbeit gehören auch die quantitativen Aspekte. Hier ist ebenso ein ‚Zuviel‘ wie ein ‚Zuwenig‘ an Gliederung zu vermeiden, auf Gleichmäßigkeit in der Gliederungstiefe ist also zu achten. Für Überschriften gilt allerdings ohne Ausnahme das Gebot der Kürze. Kurze und prägnante Überschriften sind nicht nur wichtig, um den Kern des Kapitels auf den Punkt zu bringen und auch dem Leser, der den Text nur ‚überfliegt‘, einen Überblick zu geben. Die Kurzüberschrift ist auch für die übersichtliche Darstellung im Inhaltsverzeichnis notwendig.
Eine Seminararbeit zu einem fachspezifischen Standardthema ist mit drei Gliederungsebenen beispielsweise ebenso unangemessen gegliedert wie eine Masterarbeit, die lediglich eine Untergliederungsebene pro Kapitel hat oder sich erkennbar an das Prinzip von Einleitung – Hauptteil – Schluss klammert, statt nach den besonderen thematischen Gesichtspunkten der Arbeit zu strukturieren.
Bei der Anlage der Gliederung sind Gesichtspunkte der logischen Abfolge (Gliederungslogik) zu berücksichtigen, damit die Schwerpunkte der Arbeit für den Leser unmittelbar nachvollziehbar sind.
! Expertentipp: Formell gesehen erfordert jede Gliederungsebene grundsätzlich mindestens zwei Unterpunkte (ein Kapitel oder Unterkapitel kann nicht nur aus einer Unterteilung bestehen). Sinnvoll für die Übersichtlichkeit und Themenstringenz ist es jedoch, auch auf eine möglichst gleich gewichtete Kapitelgliederung zu achten. Haben Sie beispielsweise Kapitel 1 und 2 Ihrer Arbeit mit jeweils vier Unterkapiteln angelegt, gliedern sie Kapitel 3 nicht in zwei Unterpunkte auf, sondern machen Sie stattdessen gegebenenfalls einen Exkurs und legen Sie das nächste Kapitel wieder mit drei oder vier Unterkapiteln an.
Strukturierung des Hauptteils
Für die Gliederung der Hauptkapitel einer Arbeit gibt es keine Standardempfehlungen. Unabdingbar ist allerdings, die Abfolge der Argumentation entsprechend der Arbeitenart anzulegen.
Für Belegarbeiten im grundständigen Studium kann es ausreichend sein, mit mindestens zwei thematischen Untergliederungen der Hauptfragestellung eine hinreichend differenzierte Themenbehandlung zu erreichen. Das bedeutet bei einer zehnseitigen Seminararbeit, dass für je ein Hauptkapitel etwa vier Seiten Text zur Verfügung stehen sollten.
Vermieden werden sollte eine zu großräumige und wenig untergliederte Strukturierung des Themas ebenso wie eine zu enge Abfolge von Unterkapiteln. Für Arbeiten im Umfang von bis zu 12 Seiten gilt als Standardempfehlung, dass auf einer Seite nicht mehr als zwei Überschriften positioniert werden sollten, um hinreichend Platz für Beschreibung, Argumente und Gegenargumente zu lassen.
Hochschul-Abschlussarbeiten und Qualifikationsarbeiten bis hin zur Habilitation bedürfen komplexer organisierter Themenfächerungen in Kapiteln, Unterkapiteln und Kapiteln der dritten Gliederungsebene. Hier ergibt sich die Argumentfolge üblicherweise aus der leitenden Fragestellung und den konkreten Bezugnahmen auf den jeweiligen Forschungskontext. Die einzelnen Kapitel oder Abschnitte können sich hierbei durchaus über mehrere Seiten erstrecken.
Bei Arbeiten im Umfang ab einer Magisterarbeit sollte der Hauptteil mindestens drei Hauptuntergliederungen enthalten. Dabei sollte jeder einzelne Gliederungspunkt einen erkennbaren Bezug zum roten Faden der Arbeit aufweisen, das heißt, systematische Aspekte der Arbeit in der Struktur widerspiegeln. Folgende Strukturierungsvarianten bzw. Bearbeitungsschritte können für die Gliederung komplexer Themenbearbeitungen, unabhängig von der jeweiligen Arbeitenart, modellhaft in Frage kommen:
Strukturprinzip Funktion und Verwendung Beispielthema
Pro- und Contra-Analyse: These (Argument) – Gegenthese (Gegenargument) – Synthese | sozialwissenschaftliche, geisteswissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche Themenstellungen mit kontroverser Beurteilung | Auswirkungen der Einführung des Mindestlohns in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) |
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Fallstudie: theoretische Grundlagen – Empirische Untersuchung/Befund (Auswertung) – Ergebnisanwendung | empirische Untersuchungen zur Abschätzung von Theorie-Praxis-Relationen | Effekte von Diversity Management in Regelinstitutionen am Beispiel von Arbeitsagenturen |
induktive Analyse: Definition des Untersuchungsziels – Falldarstellung 1 – Falldarstellung 2 – Schlussfolgerung (induktiver Schluss) aus dem Einzelfall auf allgemeine Aussagen | sogenanntes heuristisches Vorgehen bei empirischen Untersuchungen, besonders in der qualitativen Sozialforschung, Medizin u. a. | Einflüsse der PSARP-Methode auf das Kontinenzverhalten bei Kindern und Jugendlichen |
deduktive Analyse: allgemeine Ausgangshypothese – Fallbeispiel 1 – Fallbeispiel 2 – Bestätigung oder Widerlegung der Ausgangshypothese (deduktiver Schluss) | sogenanntes deduktives Vorgehen bei empirischen Untersuchungen, besonders in der qualitativen Sozialforschung, Medizin u. a. | Phonem-Graphem-Beziehungen als sprachliche Norm im Deutschen |
Ursache-Wirkungs-Analyse: Wirkung – Ursache 1 – Ursache 2 – Folgerungen für den Kausalzusammenhang | Untersuchungsmethode für die Analyse von Kausalzusammenhängen in komplexen Systemen | Untersuchung der Einflüsse der deutschen Entwicklungshilfe in Simbabwe auf die Selbstorganisation der politischen Systeme in Südwestafrika |
Systematisierung: Themendarstellung in allen Aspekten – Themenvertiefung 1 – Themenvertiefung 2 – Themenvertiefung 3 etc. – Fazit | methodisch-systematische, vollständige Darstellung eines Themenkomplexes (Systematisierung und Kategorisierung) | Wissenschaftliches Arbeiten: Arbeitstechniken und Arbeitenarten |
chronologische Darstellungsweise: Ausgangssituation – Abschnitt/Phase 1 – Abschnitt/Phase 2 – Schlussfolgerungen Langzeitraum | Untersuchungsmethode für die Darstellung von Entwicklungsverläufen in definierten Zeiträumen | Die Entwicklung der Metropolregion FrankfurtRheinMain in der demographischen Analyse (2000-2013) |
Begriffsanalyse: Begriffsverständnis in historischer und systematischer Dimension – Der Begriff bei Autor A – Der Begriff bei Autor B – Vergleich und Fazit | Geistes- und sozialwissenschaftliche Untersuchungsmethode zur systematischen Begriffsverwendung in historisch variablen Kontexten | Zum Kantischen Begriff des ewigen Friedens im politischen Diskurs des Kulturkampfs (1870-80) |
Theorievergleich: Vorstellung des Theoriemusters und seine Bedeutung – Theorieansatz 1 – Theorieansatz 2 – systematische Gegenüberstellung | Vergleich theoretischer Konzepte (Geltungsreichweite, Vorteile, Nachteile, Einseitigkeiten etc.), vorwiegend in den Geistes- und Sozialwissenschaften | Hermeneutik versus poststrukturalistische Interpretationstheorie im Vergleich |