Ein weiteres Merkmal des wissenschaftlichen Arbeitens ist sein systematischer Charakter. Damit die Gesamtheit der Arbeit kohärent ist und die einzelnen Untersuchungsschritte schlüssig sind, ist eine nachvollziehbare Argumentation erforderlich. Jede wissenschaftliche Arbeit muss daher einen klaren Aufbau besitzen und eine Begründung des Vorgehens (Gang der Untersuchung) beinhalten. Schon die Beschreibung der Aufgabenstellung der wissenschaftlichen Arbeit, beispielsweise in der Einleitung, erfordert eine bestimmte systematisierende Kompetenz im wissenschaftlichen Schreiben und Darlegen. Diese zeigt sich in der fundierten Begründen des eigenen Standpunkts, denn diese führt zugleich zu einer Objektivierung des Untersuchungsprozesses.
In populärwissenschaftlichen Darstellungen können persönliche (subjektive) Gründe dafür angeführt werden, weshalb etwas auf diese oder jene Weise richtig sein soll bzw. als wahr gelten soll. Anderes gilt für das Darstellen, Begründen und Argumentieren im akademischen Zusammenhang. Von der Textgattung Essay__1 abgesehen, gilt in wissenschaftlichen Darstellungszusammenhängen der eigene Standpunkt nicht als gültiger Maßstab.
Vielmehr müssen Ergebnisse, Urteile und Hypothesen grundsätzlich objektiv begründet sein. Das bedeutet, dass diese grundsätzlich für Dritte nachvollziehbar und überprüfbar sind. Das schließt die Nachverfolgbarkeit der verwendeten Quellen und Materialien ebenso ein wie das sachliche Ausweisen fremder Positionen. Auch die formulierte Forschungslücke oder die Untersuchungshypothese muss in Form von Argumenten (argumentum, lat.: beweisen), das heißt begründet, vorgetragen und im Kontext einer definierten Forschungslage abgesichert sein.
Zur Objektivität des wissenschaftlichen Schreibens zählt ebenso der sachliche (direkte wie indirekte) Bezug auf bereits vorliegende Forschungsergebnisse. Dazu gehört, dass Herkunft und Quelle aller wesentlichen Gedanken (im weitesten Sinn des geistigen Eigentums) stets angegeben sind. Nur so ist sichergestellt, dass die getroffenen Aussagen tatsächlich wissenschaftlich sind und folglich nicht nur subjektive Geltung haben, sondern rechtmäßigen Anspruch auf eine allgemeine Gültigkeit (Allgemeingültigkeit bzw. Intersubjektivität) erheben können.
Allgemeingültigkeit bzw. Intersubjektivität im wissenschaftlichen Kontext von Arbeiten drückt sich dadurch aus, dass getroffene Aussagen auf mehrere Fälle übertragbar sind oder von mehreren Personen (Forschern) geteilte Ansichten darstellen. Die intersubjektive Gültigkeit im Prozess des wissenschaftlichen Argumentierens wird wesentlich durch die Auseinandersetzung mit anderen Arbeiten erreicht. Erst dadurch wird das wissenschaftliche Ziel der Arbeit, einen Beitrag zur wissenschaftlichen Erkenntnis zu leisten, erreicht. Hierfür ist es erforderlich, den Stand der Forschung zu dokumentieren, eine eigenständige Forschungshypothese zu formulieren, durch eigene Forschung darauf aufzubauen sowie selbstständige Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist also das Wechselspiel aus eigenem, am Untersuchungsgegenstand gewonnenen Standpunkt und der kritischen Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen anderer, durch die der wissenschaftliche Erkenntniswert (Mehrwert) der Arbeit generiert wird. Je besser das gelingt, desto deutlicher sind die Aussichten, dass die Ergebnisse der Arbeit repräsentativ sind und als solche von Gutachtern, Prüfern bzw. der Forschungsgemeinschaft anerkannt und honoriert werden.
Allgemeingültigkeit als Basis- und Gütekriterium wissenschaftlichen Arbeitens lässt sich auch im Drei-Stufen-Modell beschreiben. Sie setzt sich aus den folgenden Hauptkriterien zusammen:
Objektivität
Alle dargelegten Untersuchungsergebnisse sind nachvollziehbar, am ausgewählten Untersuchungsmaterial verifizierbar (überprüfbar) und unabhängig von der Person des Wissenschaftlers intersubjektiv gültig.
Validität
Ein valider (d. h. gültiger) Untersuchungsbereich der Arbeit ist nur derjenige, der Bestandteil der begründeten Ausgangsfrage und leitenden Hypothesen ist.
Umgekehrt gilt: Die Validität (Gültigkeit) bezieht sich auf das Thema der Arbeit und diese muss das behandeln, was der Titel bzw. das Thema vorgibt.
Reliabilität
Zuverlässigkeit (Reliabilität) und damit die allgemeingültige Belastbarkeit der Untersuchungsergebnisse wird durch verlässliche sachliche Verfahren in der Argumentation erreicht. Durch diese wird garantiert, dass bei Wiederholung von Fragestellungen und Argumentationen unter gleichen Bedingungen identische Ergebnisse erzielt werden. Im Text muss klar erkennbar sein, wo es sich um zuverlässige Tatsachen und wo es sich um – nicht zwangsläufig nachprüfbare – Meinungen und Vermutungen handelt.
Wichtiges und oft übersehenes Gegenstück der Allgemeingültigkeit wissenschaftlichen Argumentierens ist die Absicherung der Arbeit von ihren Grenzen (Rändern) her. Jede wissenschaftliche Untersuchung fokussiert mit der Wahl ihres Themas einen Schwerpunkt. Bestimmte Gesichtspunkte werden – auch aus darstellungsökonomischen Gründen – gar nicht erst untersucht oder von vornherein ausgeblendet. Damit die Arbeit einen geschlossenen Argumentationszusammenhang aufweist und ihren Geltungsbereich klar ausweist, sind deren Grenzen eindeutig und explizit (begründet) zu benennen. Der behandelte Gegenstand bzw. der thematische Inhalt der Arbeit muss so genau umrissen sein, dass er auch für Dritte erkennbar ist.
Zu den Eingrenzungen des Gegenstands können Zeitspannen (Untersuchungszeiträume), die Personen- und Gegenstandsauswahl oder eine thematische Aspektbeschränkung gehören. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die mit der Arbeit getroffenen Aussagen und Erkenntnisse ohne Konturschärfe sind. Damit bliebe auch unklar, ob die beanspruchte Allgemeingültigkeit der Arbeit auf mehrere (weitere) Fälle übertragbar bleibt.
Besondere Relevanz für den wissenschaftlichen Begründungs- und Argumentationsvorgang hat die verwendete Sprache. Fest steht: Keine wissenschaftliche Arbeit lässt sich über einen umgangssprachlichen, metaphernreichen oder ausschweifenden Sprachstil formulieren. Zwingend empfehlenswert für die wissenschaftliche Argumentation ist ein verständlicher und präziser Schreibstil. Dieser ist grundsätzlich an der Fachsprache zu orientieren.
Auch wenn Spielraum für die individuelle sprachliche Ausgestaltung der Argumentation gegeben ist und dieser insbesondere in den geisteswissenschaftlichen Fächern toleriert wird, gilt, die sprachliche Form der Ausführungen muss in jedem Fall sachlich, übersichtlich und für alle interessierten Leser, das heißt fachübergreifend, verständlich bleiben. Das gilt insbesondere für wissenschaftliche Arbeiten, die als Studienbelegarbeiten angelegt sind (die Dissertation bildet auch hierin eine gewisse Ausnahme). Zudem ist Fachjargon auch in den höherstufigen Qualifikationsarbeiten, wie Masterarbeit oder Dissertation, wo sinnvoll einsetzbar, stets dosiert anzuwenden, doch keinesfalls im Übermaß.
Ebenso wesentlich ist, dass die für das Argumentieren verwendeten Fachbegriffe eindeutig definiert sind. Fachtermini sichern Eindeutigkeit und Präzision. Hierfür sind Verweise auf begriffsdefinierende Lexika oder Forschungsbeiträge wertvoll, um Objektivität für die eigene Argumentation zu erhalten und mit der Arbeit eine verlässliche und repräsentative Diskussionsgrundlage zu schaffen.
! Experten-Tipp: Das Fehlen der eindeutigen Begrifflichkeit zeigt sich am häufigsten in der mangelnden Kohärenz und geringen Häufigkeit der Verwendung. Wiederholen Sie daher Ihre zentralen Begriffe in entscheidenden Formulierungen oder Abschnitten Ihrer Arbeit so oft wie möglich, mindestens jedoch so oft wie nötig, das heißt regelmäßig und wiederkehrend. Auch das Absichern der verwendeten zentralen Termini gegenüber ähnlichen Begriffen trägt dazu bei, Ihre Argumentation insgesamt zu objektivieren und als kritische Herangehensweise auszuweisen.