Wissenschaftliche Texte gehören zu einer besonderen Stilschicht des Ausdrucks, der Wissenschaftssprache. Demgemäß unterliegen sämtliche wissenschaftlichen Arbeitenarten fest definierten und fächerübergreifend standardisierten Anforderungen (vgl. Teil 1, Abschnitt 1g: Die drei Grundkonventionen für wissenschaftliche Texte). Erst deren konsequente Einhaltung sichert die Möglichkeit zur maximal positiven Bewertung der Arbeit. Hingegen führen Verstöße auf Ebene der sprachlichen Formulierung in der Regel zur Abwertung der gesamten Arbeit selbst dann, wenn die thematische Auseinandersetzung mit dem Thema hervorragend und die Argumentation überzeugend ist.
Fest steht: Wissenschaftssprache hat aufgrund der angestrebten Objektivität in der wissenschaftlichen Ausdrucksweise (Diktion) sehr viel damit zu tun, in welchem Grad es dem Verfasser jeweils gelingt, Fachlichkeit und Leserorientierung zu verknüpfen. Wissenschaftlich wird das Schreiben entsprechend nicht allein dadurch, dass abstrakte Fachbegrifflichkeit und formelhafte Sprachanwendung eingesetzt werden, von umgangssprachlichen Formulierungen abgesehen wird oder Ich-Sätze vermieden werden. Die Kriterien des wissenschaftlichen Schreibens werden vielmehr dann erfüllt, wenn Grundanforderungen für das wissenschaftliche Schreiben möglichst umfänglich und konsequent umgesetzt werden.
Hierzu gehören:
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Die Arbeit an der Eindeutigkeit verwendeter Begriffe
Generell gilt, dass jeder Leitbegriff der Arbeit bei der ersten Verwendung definiert und gegebenenfalls im angesprochenen Forschungszusammenhang kontextualisiert werden muss. Umgekehrt gilt: Nicht definierte Leitbegriffe bieten ein schwer abzuschätzendes Einfallstor sowohl für eigene Ungenauigkeiten in der Verwendung wie für eine negative Beurteilung durch den Gutachter. Präzision in der Begriffsverwendung ist hier der Königsweg für alle wissenschaftlichen Arbeitenarten.
Grundsätzlich sind ausschließlich Fachbegriffe auch dann zu verwenden, wenn zur Vermeidung sprachlicher Eintönigkeit alternative Formulierungen gewählt werden sollen – es sei denn, legitime, also semantisch identische Alternativbegriffe, wurden bei der ersten Begriffsdefinition bereits eingeführt.
Beispiel :
In der Arbeit zum Personalmanagement von Unternehmen kann nicht einfach „Betrieb“, „Gesellschaft” oder „Konzern” als alternativer Ersatzbegriff innerhalb der Argumentation verwendet werden. In der ersten Begriffsklärung müsste begründet werden, warum beispielsweise auch „Gesellschaft” semantisch äquivalent ist bzw. inwiefern dieser Terminus spezielle Bedeutungsaspekte von „Unternehmen” sinnvoll ergänzen kann.
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Die Vermeidung des Ich-Stils
Wissenschaftliches Schreiben erfordert zwar, sich allgemeinverständlich auszudrücken. Dem ungeachtet steht die Einhaltung des fachlichen Niveaus im Sprachgebrauch an erster Stelle und sind umgangssprachlichen Formen des Ausdrucks konsequent zu vermeiden. Hierzu gehört insbesondere auch das Sprechen in der subjektiven Ich-Form oder Wir-Form.
Wertendes Schreiben, bei dem es um das Formulieren von Stellungnahmen und Standpunkten geht, ist zwar in vielen Fachgebieten unerlässlich. Mit der Verwendung der Ich-Form lässt sich in der Regel jedoch nicht der Anspruch wissenschaftlicher Texte auf objektive Begründung bzw. begründete Urteile umsetzen, da das ‚Ich‘ (oder ‚Wir‘) als exemplarischer Standpunkt nur behauptet werden kann. Geht es also um das objektivierende Bewerten und Argumentieren, hat objektives und sachliches Formulieren Vorrang vor dem Meinungswissen, auch wenn ein persönlicher Standpunkt in der Argumentation erforderlich sein sollte. Das bedeutet, Aussagen grundsätzlich so zu formulieren, dass sie im Kern auch für Dritte überprüfbar und nachvollziehbar sind, zum Beispiel durch die direkte Bezugnahme oder Gegenüberstellung des thematisierten Forschungsergebnisses.
Beispiel : Anstelle des subjektiv wertenden Standpunkts wie: „Die Argumente von Calvin sind unter Zugrundelegung meiner Hypothese nicht nachvollziehbar, weshalb ich dafür plädiere, …“ wird der Standpunkt von C. zitiert, dann die eigene These gegenübergestellt und anschließend kommentiert, z. B.: „C.‘s Argumente erweisen sich aus folgenden Gründen als wenig plausible Standpunkte in der skizzierten Diskussion …“.
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Das Vermeiden von abstrakter und passiver Sprache
Zumindest in der deutschsprachigen Wissenschaft ist es üblich, die Objektivität des Standpunkts in den Vordergrund zu stellen. Neben der Vermeidung des Ich-Stils führt das in der Praxis fächerübergreifend dazu, dass die eigenen wissenschaftlichen Beobachtungen und Erkenntnisse möglichst neutral formuliert werden.
Ein verbreitetes und sachlich dienliches Verfahren hierzu ist die Verwendung des Passiv und seiner Ersatzformen („Die Argumentation von C. kann nicht nachvollzogen werden“, „Im Folgenden wird es darum gehen, neue Aspekte zum Problemfeld konkreter aufzuzeigen, ohne dass auf die Methode von X. zurückgegriffen werden muss.“).
Weniger sachdienlich als die verbreitete Darstellungsform des Passiv ist der übermäßige Gebrauch des sogenannten Nominalstils, also Substantivierungen und deren Häufung. In diesem Fall kommt es zwar zum (häufig massiven) Einsatz von Fachtermini. Das Ergebnis ist jedoch in der Regel, durch die abstrakte und zumeist passive Sprachverwendung, eine erschwerte Lesbarkeit des Textes. Hier hilft üblicherweise nur ein konsequentes ‚Entschlacken‘, die sogenannte Entsubstantivierung. Hierbei werden, soweit möglich und ohne Verlust an Präzision des ausgedrückten Sachverhalts, die häufig abstrakten Substantive zugunsten von (beschreibenden) Verben ersetzt.
Beispiel : Sätze wie „Im wissenschaftlichen Diskurs des letzten Jahrzehnts hat die Dekonstruktion der überkommenen Positionen des Strukturalismus mittlerweile zu einer deutlichen Gegenbewegung mit Tendenzen der Radikalisierung früherer Ansätze geführt” lassen sich nach erfolgter Entsubstantivierung, Passivvermeidung und Konkretisierung auch anders schreiben, z. B.: „Der wissenschaftliche Diskurs des letzten Jahrzehnts lässt deutlich erkennen, dass zahlreiche Positionen mittlerweile dekonstruiert wurden. Die überkommene strukturalistische Betrachtung erzeugte Gegenbewegungen, wobei frühere Ansätze wiederauflebten und sogar radikalisiert wurden.”
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Das strukturierte Schreiben
Das wissenschaftliche Schreiben bemisst sich zwar nicht wie das populärwissenschaftliche an der Fähigkeit, leserorientiert zu schreiben. Dennoch ist es auch für wissenschaftliche Arbeiten unverzichtbar, dass die Perspektive des Dritten (Gutachter, interessierte Leser etc.) im Schreibprozess mit bedacht wird. Neben dem Verzicht auf übermäßige Substantivierung und den Passiv-Stil zählen Strukturierungen zu den geeigneten Möglichkeiten, lesbar darzustellen und zu schreiben.
Beim strukturierten Schreiben kommt es darauf an, inhaltlich komplexe Sachverhalte in inhaltliche ‚Portionen‘ aufzuteilen und übersichtlich aufeinander folgen zu lassen. Damit wird nicht nur die Lesbarkeit des Satzes erhöht, indem dieser verkürzt bzw. in Bestandteile zerlegt wird. Insgesamt kommt es beim Strukturieren vielmehr zu einem besseren Verständnis des thematischen Komplexes.
Beispiel: „Generell werden das syndetische, das asyndetische und das syndetisch-asyndetische Verfahren unterschieden, wobei diese syntaktischen Konstruktionsformen nicht nur funktionalen, sondern überwiegend stilistischen Präferenzen des Schreibenden unterliegen. Während mit ersterem das Verbinden mit Konjunktionen, beim zweiten das konjunktionslose Zusammen von Satzgliedern und beim dritten das Auftreten beider Formen innerhalb von Satzgefügen verstanden wird, …” Eine solche Zusammenziehung definitorischer Parameter entbehrt nicht nur für fachlich Unkundige weitgehend der Verständlichkeit und sogar Eindeutigkeit. Unter dem Gesichtspunkt des strukturierten Schreibens böte es sich beispielsweise an, eine Tabelle oder Aufzählung anzulegen, bei der die einzelnen Begriffe mit ihren Merkmalen übersichtlich erfasst werden können, z. B.:
Generell werden drei unterschiedliche syntaktische Verfahren unterschieden:
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Das Verfahren der syndetischen Verknüpfung, bei dem Satzreihungen oder Satzgefüge durch Konjunktionen miteinander verbunden sind
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Das Verfahren der asyndetischen Verknüpfung, bei dem…
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Das Verfahren der syndetisch-asyndetischen Verknüpfung, bei dem …
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Wie die vorangegangenen Beispiele gezeigt haben, ist es vorteilhaft, die Kriterien des wissenschaftlichen Schreibens einzuhalten: Die Klarheit der eigenen Argumentation verbessert sich und ihre Verständlichkeit für den Leser nimmt zu.